Donnerstag, 29. Juli 2010

Tagungsbericht: Der Antiquar als komische Figur u.a.

Fabian Krämer
30.07.2010
From: Fabian Krämer
Date: 30.07.2010
Subject: Tagber: Antiquarianism and The Republic of Letters
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Martin Mulsow, Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt (FGE) 06.07.2010-07.07.2010, Schloss Friedenstein

Bericht von:
Fabian Krämer / Asaph Ben-Tov, Berlin
E-Mail:

Am 6. und 7. Juli diesen Jahres trat eine international zusammengesetzte Gruppe von Geistesgeschichtlern zu einem Arbeitsgespräch am Forschungszentrum Gotha unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Mulsow mit dem Ziel zusammen, den frühneuzeitlichen Antiquarianismus sechs Dekaden nach dem Erscheinen des bahnbrechenden Artikels Arnaldo Momiglianos "Ancient History and the Antiquarian" [1] im Lichte der neueren Forschung einer Neubewertung zu unterziehen. Die Ergebnisse der reichen Forschung der letzten Jahre erlaubt eine nuanciertere Bewertung der Rolle des Antiquarianismus in der frühneuzeitlichen Antikenrezeption und eine Anerkennung seiner Bedeutung für die Entstehung neuer Zugänge zur Vergangenheit. Über die epistemologische Ebene hinaus wurden dabei aber auch insbesondere die Praktiken des Antiquarianismus und der Person des Antiquars beleuchtet. Im Gegensatz zur seit der frühen Neuzeit vorherrschenden Ansicht, der zufolge es sich beim Antiquarianismus um eine randständige Pedanterie gehandelt habe, die sich im Sammeln und Betrachten von Objekten untergegangener Kulturen erschöpft habe, schafften es die Beiträge zu zeigen, dass die antiquarische Forschung zentrale zeitgenössische Anliegen der gelehrten und religiösen Auseinandersetzung berührte.

Gleich drei Vorträge beschäftigten sich mit den Grenzfällen des Antiquarianismus. Der Vortrag von ANN BLAIR (Harvard) "Epitaphensammlungen in der Renaissance" thematisierte die Verbindungen zwischen der humanistischen Sammlung von Grabinschriften einerseits und dem Sammeln der literarischen Gattung der Epitaphen im Kontext des Sammeln von sententiae andererseits. Dabei wurde auch die ironische Tatsache beleuchtet, dass auf dünnem Papier gedruckte Inschriften bessere Chancen hatten, von der Nachwelt gelesen zu werden als ihre für die Ewigkeit in Stein gemeißelten Pendants. ANTHONY GRAFTONS (Princeton) öffentlicher Abendvortrag "Wie Jesus das Pessachfest feierte"
beschäftigte sich mit anderer Perspektive mit dieser Grenzproblematik.
Als Fallbeispiel diente ihm die Suche nach den Realien des letzten Abendmahls. Saß Jesus mit seinen Jüngern manierlich zu Tische, wie es die abendländische Ikonographie nahelegt? Oder lagen sie nach hellenistischer Art im triclinium wie zum Beispiel Sokrates und seine Freunde in Platons Symposium? Allein auf der Basis der schriftlichen Überlieferung, darunter auch jüdische und rabbinische Quellen, versuchte Joseph Scaliger, die rituellen Realien des letzten Abendmahls zu rekonstruieren, ohne einen zeitgenössischen Juden zu befragen. Auch wenn diese Abstinenz zu Missverständnissen führte, sei dieser "rein philologische" Antiquarianismus keineswegs polemisch motiviert gewesen und verrate sogar eine gewisse Sympathie mit den Juden. WILLIAM STENHOUSE (New York) nahm in seinem Vortrag "Was geschah, als sich Antiquare in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts dem antiken Griechenland zuwandten?" eine chronologische Korrektur vor. Auch wenn sich erst im achtzehnten Jahrhundert ein kohärentes Verständnis von antiker griechischer Geschichte herausbildete, ist eine intensive Auseinandersetzung von Antiquaren mit der griechischen Geschichte bereits seit der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nachweisbar. Dabei zeigte Stenhouse auch, dass es Johannes Meursius durch seinen antiquarischen Zugang gelang, Aspekte der griechischen Antike wie zum Beispiel Religion oder urbanen Alltag als Gegenstand gelehrter Betrachtung überhaupt erst zu konstituieren.

Mit den politischen Zusammenhängen und fürstlicher Patronage stellten MARKUS VÖLKEL (Rostock) und MARTIN MULSOW (Erfurt/Gotha) einen anderen frühneuzeitlichen Kontext des Antiquarianismus in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. Markus Völkel zeigte in seinem Vortrag "Thuanus Heidelbergae:
Die kritische Lektüre der zeitgenössischen Geschichte durch einen Heidelberger Antiquar" anhand von Jacques Auguste de Thou die Zentralität gelehrter Netzwerke für die antiquarische Praxis auf. Am Beispiel de Thous, der im fürstlichen Auftrag Material für seine Historia sui temporis sammelte, zeigte er die Verwicklung antiquarischer Praktiken in historisch begründeten Machtansprüchen an. Martin Mulsow wandte sich mit seinem Beitrag zu "Numismatik und Informationspolitik im Frankreich Ludwig des XIV." einem zentralen Feld des Antiquarianismus'
zu. Ein wichtiges Anliegen waren ihm dabei die Verbindungen zwischen der Numismatik und anderen Feldern antiquarischer Beschäftigung sowie die zwischen Personen und unterschiedlichen Personengruppen wie etwa Antiquaren, Medizinern und Diplomaten. Numismatik war eine sehr dialogische Disziplin, die vom Vergleich von Münzen lebte, die sich unter Umständen im Besitz verschiedener Sammler befanden. Das Zeitalter Ludwig des XIV. zeichnete sich durch das intensive diplomatische Engagement Frankreichs im Orient aus - ein wichtiger Anreiz für die gelehrte Auseinandersetzung sowohl mit dem Orient als auch mit der helleno-römischen Antike. Dieser Zusammenhang schlug sich in der engen Verschränkung der Reisen und Reiseberichte der Diplomaten mit der numismatischen Sammlungspraxis nieder.

INGRID ROWLAND (Rom) und INGO HERKLOTZ (Marburg) wandten sich der Figur des Antiquars zu. Rowlands Vortrag zu "Athanasius Kircher und Alexander VII." nahm eine willkommene Korrektur des Bildes vom pedantischen, humorlosen Antiquar vor, indem sie Kirchers Sinn für spielerische Ironie und derbe Späße herauspräparierte. Ferner thematisierte sie die Freundschaft zwischen dem kranken Papst und dem exzentrischen Jesuiten und Universalgelehrten; beide verlebten einige Zeit auf Malta - ein Ort, der, so Rowland, konstitutiv war für Kirchers Geologie. Ingo Herklotz thematisierte vorwiegend anhand von Theaterstücken aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert den "Antiquar als lächerliche Figur". In der Überzeichnung von als typisch angenommenen Charakterzügen reduzieren sie den Antiquaren auf den pedantischen Sammler antiker Banalitäten, der den Kontakt zum intellektuellen Geschmack der Zeit verloren hat und selbst zur antiquierten Kuriosität geworden ist.

Das Arbeitsgespräch hat gezeigt, wie vielversprechend es ist, den Antiquarianismus in seinem breiteren frühneuzeitlichen Kontext zu erforschen. Umgekehrt wiederum deutete sich bereits an, wie fruchtbar eine solche Erforschung für andere Bereiche der Frühneuzeitforschung werden kann.

Konferenzübersicht:

Ann Blair (Harvard University): Collecting, Attributing and Using Ancient Quotations.

William Stenhouse (Yeshiva College, New York): What happened when antiquarians in the second half of the sixteenth century turned their attention to ancient Greece?

Martin Mulsow (Universität Erfurt/Gotha): The Swallowing of Coins:
Numismatics and Information Policy in Louis XIVs France.

Markus Völkel (Universität Rostock): "Thuanus Heidelbergae": The Heidelberg antiquarian's critical reading of a contemporary history (1604-1608).

Anthony Grafton (Princeton University): How Jesus celebrated Passover:
Antiquarianism, Philology, and the Origins of Christianity.

Ingrid Rowland (University of Notre Dame School of Architecture, Rom):
Thirty Years of Friendship: Athanasius Kircher and Fabio Chigi/Alexander VII, 1637-1667.

Ingo Herklotz (Universität Marburg): The Antiquary as a Comic Figure.

Diskutant: Noel Malcolm (All Souls College, Oxford).

Anmerkung:
[1] Arnaldo Momigliano, Ancient History and the Antiquarian, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 12 (1950), S. 285-315.


URL zur Zitation dieses Beitrages


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E-Mail: hsk.redaktion@geschichte.hu-berlin.de
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Martin Mulsow, Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt (FGE) 06.07.2010-07.07.2010, Schloss Friedenstein

Bericht von:
Fabian Krämer / Asaph Ben-Tov, Berlin
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Am 6. und 7. Juli diesen Jahres trat eine international zusammengesetzte Gruppe von Geistesgeschichtlern zu einem Arbeitsgespräch am Forschungszentrum Gotha unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Mulsow mit dem Ziel zusammen, den frühneuzeitlichen Antiquarianismus sechs Dekaden nach dem Erscheinen des bahnbrechenden Artikels Arnaldo Momiglianos "Ancient History and the Antiquarian" [1] im Lichte der neueren Forschung einer Neubewertung zu unterziehen. Die Ergebnisse der reichen Forschung der letzten Jahre erlaubt eine nuanciertere Bewertung der Rolle des Antiquarianismus in der frühneuzeitlichen Antikenrezeption und eine Anerkennung seiner Bedeutung für die Entstehung neuer Zugänge zur Vergangenheit. Über die epistemologische Ebene hinaus wurden dabei aber auch insbesondere die Praktiken des Antiquarianismus und der Person des Antiquars beleuchtet. Im Gegensatz zur seit der frühen Neuzeit vorherrschenden Ansicht, der zufolge es sich beim Antiquarianismus um eine randständige Pedanterie gehandelt habe, die sich im Sammeln und Betrachten von Objekten untergegangener Kulturen erschöpft habe, schafften es die Beiträge zu zeigen, dass die antiquarische Forschung zentrale zeitgenössische Anliegen der gelehrten und religiösen Auseinandersetzung berührte.

Gleich drei Vorträge beschäftigten sich mit den Grenzfällen des Antiquarianismus. Der Vortrag von ANN BLAIR (Harvard) "Epitaphensammlungen in der Renaissance" thematisierte die Verbindungen zwischen der humanistischen Sammlung von Grabinschriften einerseits und dem Sammeln der literarischen Gattung der Epitaphen im Kontext des Sammeln von sententiae andererseits. Dabei wurde auch die ironische Tatsache beleuchtet, dass auf dünnem Papier gedruckte Inschriften bessere Chancen hatten, von der Nachwelt gelesen zu werden als ihre für die Ewigkeit in Stein gemeißelten Pendants. ANTHONY GRAFTONS (Princeton) öffentlicher Abendvortrag "Wie Jesus das Pessachfest feierte"
beschäftigte sich mit anderer Perspektive mit dieser Grenzproblematik.
Als Fallbeispiel diente ihm die Suche nach den Realien des letzten Abendmahls. Saß Jesus mit seinen Jüngern manierlich zu Tische, wie es die abendländische Ikonographie nahelegt? Oder lagen sie nach hellenistischer Art im triclinium wie zum Beispiel Sokrates und seine Freunde in Platons Symposium? Allein auf der Basis der schriftlichen Überlieferung, darunter auch jüdische und rabbinische Quellen, versuchte Joseph Scaliger, die rituellen Realien des letzten Abendmahls zu rekonstruieren, ohne einen zeitgenössischen Juden zu befragen. Auch wenn diese Abstinenz zu Missverständnissen führte, sei dieser "rein philologische" Antiquarianismus keineswegs polemisch motiviert gewesen und verrate sogar eine gewisse Sympathie mit den Juden. WILLIAM STENHOUSE (New York) nahm in seinem Vortrag "Was geschah, als sich Antiquare in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts dem antiken Griechenland zuwandten?" eine chronologische Korrektur vor. Auch wenn sich erst im achtzehnten Jahrhundert ein kohärentes Verständnis von antiker griechischer Geschichte herausbildete, ist eine intensive Auseinandersetzung von Antiquaren mit der griechischen Geschichte bereits seit der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nachweisbar. Dabei zeigte Stenhouse auch, dass es Johannes Meursius durch seinen antiquarischen Zugang gelang, Aspekte der griechischen Antike wie zum Beispiel Religion oder urbanen Alltag als Gegenstand gelehrter Betrachtung überhaupt erst zu konstituieren.

Mit den politischen Zusammenhängen und fürstlicher Patronage stellten MARKUS VÖLKEL (Rostock) und MARTIN MULSOW (Erfurt/Gotha) einen anderen frühneuzeitlichen Kontext des Antiquarianismus in den Mittelpunkt ihrer Beiträge. Markus Völkel zeigte in seinem Vortrag "Thuanus Heidelbergae:
Die kritische Lektüre der zeitgenössischen Geschichte durch einen Heidelberger Antiquar" anhand von Jacques Auguste de Thou die Zentralität gelehrter Netzwerke für die antiquarische Praxis auf. Am Beispiel de Thous, der im fürstlichen Auftrag Material für seine Historia sui temporis sammelte, zeigte er die Verwicklung antiquarischer Praktiken in historisch begründeten Machtansprüchen an. Martin Mulsow wandte sich mit seinem Beitrag zu "Numismatik und Informationspolitik im Frankreich Ludwig des XIV." einem zentralen Feld des Antiquarianismus'
zu. Ein wichtiges Anliegen waren ihm dabei die Verbindungen zwischen der Numismatik und anderen Feldern antiquarischer Beschäftigung sowie die zwischen Personen und unterschiedlichen Personengruppen wie etwa Antiquaren, Medizinern und Diplomaten. Numismatik war eine sehr dialogische Disziplin, die vom Vergleich von Münzen lebte, die sich unter Umständen im Besitz verschiedener Sammler befanden. Das Zeitalter Ludwig des XIV. zeichnete sich durch das intensive diplomatische Engagement Frankreichs im Orient aus - ein wichtiger Anreiz für die gelehrte Auseinandersetzung sowohl mit dem Orient als auch mit der helleno-römischen Antike. Dieser Zusammenhang schlug sich in der engen Verschränkung der Reisen und Reiseberichte der Diplomaten mit der numismatischen Sammlungspraxis nieder.

INGRID ROWLAND (Rom) und INGO HERKLOTZ (Marburg) wandten sich der Figur des Antiquars zu. Rowlands Vortrag zu "Athanasius Kircher und Alexander VII." nahm eine willkommene Korrektur des Bildes vom pedantischen, humorlosen Antiquar vor, indem sie Kirchers Sinn für spielerische Ironie und derbe Späße herauspräparierte. Ferner thematisierte sie die Freundschaft zwischen dem kranken Papst und dem exzentrischen Jesuiten und Universalgelehrten; beide verlebten einige Zeit auf Malta - ein Ort, der, so Rowland, konstitutiv war für Kirchers Geologie. Ingo Herklotz thematisierte vorwiegend anhand von Theaterstücken aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert den "Antiquar als lächerliche Figur". In der Überzeichnung von als typisch angenommenen Charakterzügen reduzieren sie den Antiquaren auf den pedantischen Sammler antiker Banalitäten, der den Kontakt zum intellektuellen Geschmack der Zeit verloren hat und selbst zur antiquierten Kuriosität geworden ist.

Das Arbeitsgespräch hat gezeigt, wie vielversprechend es ist, den Antiquarianismus in seinem breiteren frühneuzeitlichen Kontext zu erforschen. Umgekehrt wiederum deutete sich bereits an, wie fruchtbar eine solche Erforschung für andere Bereiche der Frühneuzeitforschung werden kann.

Konferenzübersicht:

Ann Blair (Harvard University): Collecting, Attributing and Using Ancient Quotations.

William Stenhouse (Yeshiva College, New York): What happened when antiquarians in the second half of the sixteenth century turned their attention to ancient Greece?

Martin Mulsow (Universität Erfurt/Gotha): The Swallowing of Coins:
Numismatics and Information Policy in Louis XIVs France.

Markus Völkel (Universität Rostock): "Thuanus Heidelbergae": The Heidelberg antiquarian's critical reading of a contemporary history (1604-1608).

Anthony Grafton (Princeton University): How Jesus celebrated Passover:
Antiquarianism, Philology, and the Origins of Christianity.

Ingrid Rowland (University of Notre Dame School of Architecture, Rom):
Thirty Years of Friendship: Athanasius Kircher and Fabio Chigi/Alexander VII, 1637-1667.

Ingo Herklotz (Universität Marburg): The Antiquary as a Comic Figure.

Diskutant: Noel Malcolm (All Souls College, Oxford).

Anmerkung:
[1] Arnaldo Momigliano, Ancient History and the Antiquarian, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 12 (1950), S. 285-315.


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Mittwoch, 28. Juli 2010

Tagungsbericht Buchpraktiken und Bücherwissen

Anne-Chantal Zimmermann
Tagber: Buchpraktiken und Bücherwissen 1450-1750
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Lucas Burkart / Hole Rössler, Historisches Seminar, Universität Luzern; Michael Gnehm / Tristan Weddigen, Kunsthistorisches Institut, Universität Zürich; Stiftung Bibliothek Werner Oechslin 21.06.2010-23.06.2010, Einsiedeln

Bericht von:
Anne-Chantal Zimmermann / Heinz Nauer, Universität Luzern
E-Mail: ; ;


Vom 21. bis 23. Juni veranstalteten das Historische Seminar der Universität Luzern und das Kunsthistorische Institut der Universität Zürich in Kooperation mit der Stiftung Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln ein Symposium zum Thema "Buchpraktiken und Bücherwissen 1450-1750". Mit der Bibliothek Werner Oechslin und ihren über 40.000 Bänden zur Geschichte der Architektur und Architekturtheorie sowie zur europäischen Geistes- und Kulturgeschichte haben die Organisatoren Lucas Burkart (Luzern), Michael Gnehm (Zürich), Hole Rössler (Luzern) und Tristan Weddigen (Zürich) einen geeigneten Ort ausgewählt, um über inhaltliche und praktische Aspekte der vormodernen Buchkultur nachzudenken.
Die Auseinandersetzung mit Buchpraxis und Inhalten von Büchern in der Frühen Neuzeit besitzt durchaus seine Aktualität. Im Zeitalter des Internets wird oft vergessen, dass zumindest der Topos der "Bücherflut"
nicht neu ist und sich bereits im 17. Jahrhundert im Umgang mit der ins Unrezipierbare gewachsenen Fülle von Informationen weitgehend dieselben Fragen stellten wie heute. Viel ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geklagt worden über die Flut von qualitativ ungenügenden Online-Publikationen, Sammelbänden, die besser ungeschrieben geblieben wären und Digitalisierungsprojekten, die das materielle Buch in gar nicht allzu ferner Zukunft überflüssig werden lassen sollen. Eine mögliche Antwort auf die Frage, wie man dieser Totalität von Informationen begegnen soll, hat im Jahr 2007 der Pariser Literaturprofessor Pierre Bayard gegeben: Durch Nicht-Lesen. In seinem lesenswerten Büchlein "Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat" unterscheidet Bayard vier Haupttypen von Büchern:
Unbekannte Bücher, Bücher, die man quer gelesen hat, Bücher, die man nur vom Hörensagen kennt, und solche, deren Inhalt man schon wieder vergessen hat. Alle vier zugrunde liegenden Praktiken, so die auch im eigenen Buch demonstrierte Pointe, seien letztlich legitime und nicht notwendig irreführende Formen des Umgangs mit Bücherwissen.

WERNER OECHSLIN (Einsiedeln) plädierte in seinem Eröffnungsvortrag für das Gegenteil: Man solle sehr wohl lesen, und zwar wenn immer möglich in konkreten Büchern und nicht in ihrem Digitalisat. Das Buch als materieller Gegenstand - nicht selten mit deutlichen Lektürespuren - sei für eine historische Betrachtung ebenso wichtig wie dessen Inhalt, denn die meisten Bücher seien keine Krimis, die man von vorne nach hinten durchlesen könne, sondern Behältnisse für alles Mögliche, unter sich vernetzte Wissenssammlungen, von denen jede eine eigene Geschichte habe.
So ist denn auch die Ordnung der Bücher nie zufällig, sondern geschichtsgegeben. Auch deshalb plädierte Oechslin dafür, die Bücher in ihrer realen Umgebung zu besuchen. Am besten in den selten gewordenen Freihandbibliotheken, denn nicht nur das Buch allein erzählt Geschichten, sondern - wie bereits Aby Warburg bemerkte - auch seine Nachbarn. Man hat also zwei Möglichkeiten in einer Bibliothek: Entweder die Bücherwände zu bestaunen oder ein Buch herauszunehmen und zu lesen.

ANTHONY GRAFTON (Princeton) sprach in seinem Abendvortrag "Jewish Books and Christian Readers: Another Renaissance" über jüdische Einflüsse auf christliche Bücher der Frühen Neuzeit. Die Exegese biblischer Originaltexte war aufgrund der schlechten oder inexistenten Kenntnis der hebräischen Sprache für Christen oft unmöglich. Mancher Gelehrter suchte sich deshalb einen jüdischen Lehrer, um die Sprache des Alten Testamentes zu lernen. Durch den Austausch mit ihren Lehrern aber lernten sie schliesslich mehr als nur die Sprache: Die Lehrer brachten ihnen auch die jüdische Kultur näher. Obwohl Christen in der Frühen Neuzeit ihrem Selbstverständnis nach die jüdische Kultur als minderwertig betrachteten, entwickelten sie in der Zusammenarbeit ein zunehmendes Verständnis, das sich auch in ihrer Buchkultur spiegelte. So konnten Gelehrte der Frühen Neuzeit, so die Pointe Graftons, im Lesen und Schreiben von Büchern religiöse und kulturelle Grenzen überschreiten.

MARIE THERES STAUFFER (Genf) sprach in ihrem Vortrag über "Die Darstellung katoptrischer Praktiken in frühneuzeitlichen Schriften". Sie untersuchte die Spiegel-Experimente in den Büchern des jesuitischen Polyhistors Athanasius Kirchers anhand ihrer bildlichen Darstellungen und Erklärungen. Das Reden über Katoptrik sei von der Imagination beflügelt und weit spektakulärer gewesen als die tatsächlichen Effekte des realen Experiments. Dies zeigt das Beispiel einer (an Schrödingers
gemahnende) Katze in einer mit Spiegeln ausgekleideten Kiste, die, so die Legende, fast durchgedreht sei ob der vielen Katzen, die sie von allen Seiten angestarrt hätten. Aber woher ist denn eigentlich das Licht in diese Kiste gekommen? Und wie konnten die Gelehrten der Katze dabei zusehen? Die Funktion der Maschine bleibt für die Leser letztlich rätselhaft, was, so die Erklärung Stauffers, auch der Grund sei, weswegen den Experimenten in den Büchern geglaubt wurde. In seinen Büchern erzeugte Athanasius Kircher so etwas wie "Science Fiction". Im Medium "Buch" konnte das funktionieren, mit den Maschinen in Kirchers römischen Museum nicht.

TINA ASMUSSEN (Luzern) versuchte daran anschliessend, diesen Widerspruch zwischen dem Musaeum Kircherianum und den Publikationen Kirchers aufzuheben. Sie hob dabei die Symbiose von Museum und Buch hervor. Das Medium "Buch" (illustriert am Beispiel von Giorgio de Sepis Museumskatalog "Romani Collegii Societatis Jesu Musaeum Celeberrimum"
von 1678) sei tatsächlich der einzige Ort gewesen, an dem Kirchers Experimente funktioniert hätten und habe keine realen Verhältnisse abgebildet, sondern einen "idealen Raum" produziert. In der Folge zeigte Asmussen die "selbstreferenzielle Endlosschleife" auf, in der sich Kircher mit seinen Publikationen bewegte. Das Museum sei zwar ein "imaginierter Wissensraum" gewesen, allerdings einer, der in seiner Darstellung mit der Naturphilosophie Kirchers korrespondierte. Kircher dachte in Analogien und übertrug dieses Denken auf sein Museum, in dem er die ganze Welt im Kleinen abbilden wollte. Nach demselben Verweissystem ("omnia in omnibus") also, nach dem auch die Wissenschaft Kirchers funktioniert habe.

Gleich mehrere Vorträge kreisten um die Begriffe "Wahrheit", "Glaubwürdigkeit" und "Authentizität" im Zusammenhang mit der Verwendung von Bildern im gedruckten Buch. So konstatierte PETER SCHMIDT (München) für das 17. Jahrhundert eine inflationäre Zunahme von Publikationen, die das Wort "wahr" im Titel führten. DOROTHEE SCHMIDT (Basel) hob am Beispiel der Reiseberichtsammlung "petits voyages" der niederländischen Verlegerfamilie de Bry die Wichtigkeit der Augenzeugenschaft für die Glaubwürdigkeit von Reiseberschreibungen in den Augen der Leser um 1600 hervor. "Wahrheit" habe sich in diesen reich bebilderten Texten nur durch Betrachtung von Bild und Text ergeben können.

HOLE RÖSSLER (Luzern) sprach über die literarische Figur des "ungelesenen Buches". Er legte drei Argumentationsstränge dar, mit denen in der Frühen Neuzeit die Praktiken des Nicht-Lesens verteidigt oder verurteilt wurden. So gab (und gibt) es nach Rössler den Vorwurf der "Bibliomanie", des wahllosen Anhäufens von Büchern, die jedoch nicht gelesen werden. Hier wurde von Gelehrten eine betrügerische Buchpraxis
kritisiert: Bücher sollte man lesen und nicht mit zum Schein der Gelehrsamkeit anhäufen. Bei der "Bibliophobie" wurde das ungelesene Buch zum Sinnbild einer moralischen Gefährdung. Man sollte möglichst wenige lesen, um das eigene Denken nicht in schon vorgeschriebene Bahnen zu
lenken: Genies lesen nicht, sondern denken. Bis heute habe die Praxis des "Nicht-Lesens" ihren festen Platz im "Self-fashioning" der Gelehrten. Als dritten (und auch historisch neuesten) Strang nannte Rössler die "Bibliopathie", die Ansicht also, dass Bücherlesen Leib und Seele schwäche. Heilung davon versprachen Mediziner durch frische Landluft und Ruhe. Führt das ungelesene Buch als konkreter Gegenstand eine meist spurenlose Existenz, ist es als rhetorische Figur jedoch wichtig für die symbolische Konstruktion von Gelehrsamkeit.

Auch FLEMMING SCHOCK (Darmstadt) betonte im Zusammenhang mit der frühneuzeitlichen Publikationsflut die Kritik an Gelehrten, die "vor lauter Wissen" zu "bersten" schienen. Anhand von Wissenskompendien von barocken Polygraphen wie Eberhard Werner Happel und Erasmus Francisci schilderte Schock die Praxis des sammelnden Lesens als Kunst zwischen Exzerpt und "Copy-Paste". Bücher wurden im 17. Jahrhundert zunehmend kommerzialisiert und popularisiert. "Wissensmanagern" wie Happel oder Francisci ging es auch darum, Wissensbestände "zurechtzustutzen", um sie auf dem kommerziell ausgerichteten Buchmarkt auch einem nicht-akademischen Publikum zugänglich zu machen. Man bewegte sich in einem schier unendlichen Kontinuum von Büchern und Verweisen, wobei Bücher vermehrt auch Gegenstand des Gesprächs und nicht nur der Lektüre wurden. Man musste die antiken Klassiker nicht mehr zwingend im Original gelesen haben, um sie zu kennen und mit ihnen zu glänzen. Bücher wurden im 17. Jahrhundert zu "Steinbrüchen", die von Kompilatoren immer wieder neu zusammengesetzt werden konnten.

MARTIN MULSOW (Erfurt/Gotha) erzählte die tragisch-komische Geschichte von Herrmann von der Hardt, Professor für orientalische Sprachen an der Universität Helmstedt. Durch allzu eigenwillige Bibelauslegungen wurde dieser mit einem Publikationsverbot belegt und einige seiner Manuskripte eingezogen. Er beschickte alsbald den verantwortlichen Herzog eine Reihe reich bebilderter "Comic-Strips der Verzweiflung", unter anderem mit Fledermäusen, die auf emblematische Weise die Geschichten seiner kassierten und unveröffentlichten Bücher erzählten. Die kräftige Bildsprache führte Mulsow darauf zurück, dass nach von der Hardt auch der Bibel Bildstrukturen unterlägen, die eine Abfolge von Sinn-Bildern sei, welche er dann ganz real in seiner Verteidigungsschrift einsetzte.
Ohne Erfolg allerdings: Die Fledermäuse verwandelten sich nicht in Tauben.

MICHAEL THIMANN (Florenz) stellte in einem als "Problemskizze"
konzipierten Vortrag sein Buchprojekt zu Künstlerbildung und Künstlerlektüre vor. Bisher sei Thimann zufolge noch nicht zusammenhängend untersucht worden, in welcher Weise Sprachbarrieren oder hohe Buchpreise in der Frühen Neuzeit die Beziehung zwischen dem Künstler und dem Buch behindert haben könnten. Das vorliegende Material (etwa überlieferte Register der Bibliotheken von Künstlern) wurde in der Vergangenheit oft vorschnell für einzelne Fälle nutzbar zu machen versucht. Thimann möchte sich nicht mit der Feststellung von Größe und Inhalt von Künstlerbibliotheken begnügen, sondern erhofft sich darüber hinaus Aufschluss über Künstlerbildung, -lektüre und wissen in der Frühen Neuzeit.

Die insgesamt 14 Referenten boten eine große fachliche und methodische
Spannbreite: Einen architekturgeschichtlichen Vortrag hielt TOBIAS BÜCHI (Einsiedeln). Darin skizzierte er die Systematisierung von Fortifikationswissen im 16. und 17. Jahrhundert auf Grundlage der in Logik und Rhetorik entwickelten Kategorien. Einen technikgeschichtlichen Zugang zum Thema zeigte KARIN LEONHARD (Eichstätt): Sie beleuchtete den Übergang von handgemalten zu gedruckten Farben im Buch im späten 17. und 18. Jahrhundert, was damals noch, zumindest kommerziell, wenig Erfolg hatte. Kommerziell nutzbar gemacht sollten farbig gedruckte Bilder in Bücher erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden. LOTHAR SCHMITT (Zürich) sprach über Erasmus von Rotterdam, die Materialität von Buchwidmungen und davon, wie Erasmus, einer der ersten Gelehrten, die vom Schreiben leben konnten, das neue Medium des Buchdrucks zu Werbezwecken in eigener Sache benutzte. ACHATZ VON MÜLLER (Basel) sprach über Robert Burtons Buch "Anatomy of Melancholy" und stellte die Frage, ob das Buch eine "neue Theologie" enthalte, oder eher "ein Buch zum Blättern" sei.

Resümierend darf festgehalten werden, dass es der Organisation des Symposions gelungen ist, trotz einer großen fachlichen und methodischen Spannbreite eine Kohärenz der Beiträge zu erzielen, die vielfältige Bezüge unter den Einzelergebnissen ermöglichte. Etwas Grundsätzliches in der Bücherforschung wurde dabei deutlich sichtbar: Man weiss zwar viel über die Buchinhalte, noch immer aber ist wenig über den konkreten und persönlichen Umgang mit Büchern in der Frühen Neuzeit bekannt, denn das bloße Feststellen der Besitzverhältnisse von Büchern sagt noch wenig über deren Leserschaft und gängige Lesepraktiken aus.

Konferenzübersicht:

Werner Oechslin (Einsiedeln): Ausgewählte Bücher zum Thema

Anthony Grafton (Princeton): Jewish Books and Christian Readers: Another Renaissance

Peter Schmidt (München/Frankfurt a.M.): "Wahre Abbildung". Bemerkungen zu einem Vermittlungsanspruch von Bildern zur Zeit des frühen Buchdrucks

Dorothee Schmidt (Basel): Kunst des Malens - Truck der Schrift.
Intermedialität in den "petits voyages" der Verleger de Bry

Marie Theres Stauffer (Genf): Bücher-Bilder. Die Darstellung katoptrischer Praktiken in frühneuzeitlichen Schriften

Tina Asmussen (Luzern): Sinn-Bilder des Wissens. Die Exegese der Natur bei Athanasius Kircher

Achatz von Müller (Basel): Robert Burtons "Anatomy of Melancholy". Eine neue Theologie oder ein Buch zum Blättern?

Hole Rößler (Luzern): Das ungelesene Buch. Konjunkturen einer polemischen Figur

Martin Mulsow (Erfurt/Gotha): Comic-Strips der Verzweiflung. Zensur, akademische Freiheit und die Personalisierung von Büchern

Lothar Schmitt (Zürich): Der doppelte Text: Zur Materialität von Buchwidmungen

Tobias Büchi (Einsiedeln): Synopsen in der Fortifikationsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts

Flemming Schock (Darmstadt): Die geschrumpfte Bibliothek. Das Buch als Gegenstand sammelnder Lektüre im Barock

Michael Thimann (Florenz): Buch und Bücher. Intensive und extensive Lektüre bei Künstlern der Frühen Neuzeit

Karin Leonhard (Eichstätt): Farbe im Buch

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Druckereimuseum Erfurt

Druckereimuseum und Schaudepot im Benary-Speicher

Brühler Straße 37
99084 Erfurt
(im Sparkassen-Finanzzentrum)

Tel. 0361 7894805

Öffnungszeiten:

Dienstag und Donnerstag von 13 bis 17 Uhr, Mittwochs von 11 bis 18 Uhr

Termine für Sonderführungen und Veranstaltungen werden veröffentlicht. Besichtigungen, Führungen, Drucken nach Voranmeldung.

Stadtbahn Linien 2 und 4, Haltestelle Sparkassen-Finanzzentrum,

mit dem Pkw: Parkhaus Sparkassen-Finanzzentrum (wochentags) oder Tiefgarage Domplatz, von dort ca. 15 Min. Fußweg

Der Benary-Speicher

Das Speichergebäude, in dem seit Anfang des Jahres 2001 das Druckereimuseum und das Schaudepot der Museen der Stadt Erfurt untergebracht sind, wurde 1887 als Lagerspeicher für Samen der Firma Benary erbaut. Heute gehört der Benary-Speicher zum Sparkassen-Finanzzentrum, welches der Stadt Erfurt die kulturelle Nutzung des Gebäudes ermöglicht. Da die Holzeinbauten des Speichers und auch der originale Sackaufzug, welcher dem Transport von Materialien innerhalb des Gebäudes diente, erhalten sind, kann man im Gebäude einen interessanten Eindruck von der Speicherarchitektur des 19. Jahrhunderts und der Produktionsgeschichte eines der bedeutenden Erfurter Gartenbaubetriebe erhalten. Im Erdgeschoss sind im zum Stadtmuseum gehörenden Druckereimuseum historische Maschinen zu besichtigen, die einen Einblick in die Techniken des Buchdrucks und des künstlerischen Handdrucks ermöglichen. Das Schaudepot bietet die Möglichkeit, Kulturgut aus den Sammlungen der fünf Erfurter Museen nicht nur unter günstigen konservatorischen Bedingungen aufzubewahren, sondern darüber hinaus auch für Besucher zugänglich zu machen.

Druckereimuseum

Der vermutlich erste Thüringer Druck mit beweglichen Metalllettern wurde 1473 im Haus „Zum güldenen Stern“ (Michaelisstraße 11) gefertigt. Dies und die über 500-jährige Drucktradition Erfurts bewog vielleicht die engagierten Mitarbeiter der ehemaligen Druckerei Fortschritt in den 70er und 80er Jahren des 20.Jahrhunderts dazu, mit dem Sammeln und Aufarbeiten historischer Druckmaschinen zu beginnen. Seit April 2001 befindet sich im Benary-Speicher ein Druckereimuseum, in dem die vorgenannten Maschinen den Hauptbestand bilden. Eine besondere Novität seit 2003 ist die Übernahme der kompletten Werkstatt für Flach- und Tiefdruck des Erfurter Grafikdruckers Ernst August Zimmermann. Im Druckereimuseum im Benary-Speicher kann man unter hervorragenden Raumbedingungen funktionstüchtige Druckereimaschinen der letzten zwei Jahrhunderte in Aktion erleben. Es handelt sich dabei um drei Handdruckpressen, verschiedene Druckmaschinen, Scheren, eine Falz- und eine Heftmaschine. Im Anschluss an eine fachkundige Führung können die Gäste selbst drucken.

Museumspädagogische Begleitung (nach Voranmeldung):

"Universitäts- und Druckstadt Erfurt"

Rundgang zu einstigen Druckorten in der Altstadt (Endpunkt Benary-Speicher, hier eigenhändiges Drucken durch die Teilnehmer)

"Vom geschriebenen zum gedruckten Buch"

Informativ und unterhaltend wird die Geschichte des Buchs vorgestellt (Teilnehmer probieren verschiedene Schreibutensilien aus und drucken selbst)

Dienstag, 27. Juli 2010

Kinderbücher: Ali Mitgutsch wird 75!

„Vater der Wimmelbücher“ Ali Mitgutsch wird 75!

Ali Mitgutsch, Vater der Wimmelbilderbücher und Chronist der Welt im Kleinen, feiert am 21. August 2010 seinen 75. Geburtstag. Generationen von Kindern sind mit seinen Bildern aufgewachsen – mit ihnen haben sie gelernt ihre Umwelt besser zu begreifen und das Augenmerk auf Kleinigkeiten zu lenken. Der hellwache Geist des leidenschaftlichen Münchners und sein feiner Blick für die skurrilen Details des Alltags erschaffen Bilderwelten, die kleine wie große Betrachter immer neu fesseln. Zum Jubiläum im Herbst wimmelt es beim Ravensburger Buchverlag bereits im Frühjahr: Neben zwei Jubiläumsausgaben mit seinen schönsten Bildern erscheinen weitere Wimmelklassiker in Sonderformaten. "Wimmelbücher" werden seine Bildbände für Kinder genannt, weil es auf ihnen nur so wimmelt - von Menschen und Tieren, die sich freuen, ärgern oder denen gerade ein Missgeschick passiert. Ein Fest für alle Wimmelliebhaber!
Wimmelbilderbücher sind Bilderbücher mit auffallend vielen kleinen Details. Die Bilder wimmeln buchstäblich über das Bild. Da gibt es immer viel zu Entdecken, so manches zum Schmunzeln und auch manches zum Kopfschütteln, denn es gibt immer den ein oder anderen Lausbuben, der etwas anstellt. Sein erstes Bilderbuch bei Ravensburger, „Rundherum in meiner Stadt“, erschien 1968 und wurde bisher mehr als 1,3 Millionen Mal verkauft. Insgesamt gingen seine Bücher allein in Deutschland über fünf Millionen Mal über den Ladentisch, international kamen mehr als drei Millionen verkaufte Exemplare dazu. Der Ravensburger Buchverlag brachte 35 Originaltitel heraus, die in vielen unterschiedlichen Ausstattungsformen viele Liebhaber fanden. Ohne Worte entführt Ali Mitgutsch im neuen Sonderband „Mein schönstes Wimmel-Bilderbuch“ seine Leser in die bunte Miniaturwelt seiner schönsten Wimmelbilder: er nimmt sie mit in den Zoo, zeigt ihnen das Bauernhofleben, lässt sie im Schwimmbad und am Strand toben oder den Flughafen entdecken. „Mein riesengroßes Wimmel-Suchbuch“ bietet darüber hinaus den Wimmelspaß im Riesenformat. „Holzwurm“, „krankes Schaf“ und „Gesundbeterin“ lassen kleine und große Betrachter schon auf der Einstiegsseite schmunzeln und Kinder können sich stundenlang selbst mit den Bildern beschäftigen.
Ali Mitgutsch zeigt aber nicht nur die heile Welt. Wer genau hinschaut, sieht auch die kleinen Katastrophen: auf der Serpentinenstraße qualmt das liegengebliebene Auto oder es fühlt sich jemand auf dem Ponyhof im Sattel so gar nicht wohl. In seiner wimmelnden und universellen Themendarstellung erinnert Mitgutsch an die großen Meister der holländischen Miniaturmalerei Hieronymus Bosch oder Pieter Brueghel der Ältere. Wie Brueghel bildet er die Riten des Alltags ab mit all ihren Facetten und lässt die Betrachter immer wieder neue Aspekte erleben. Bei Kindern fördert das Betrachten der Bücher die Weiterentwicklung von Konzentration und Aufmerksamkeit, von Wahrnehmung und Ausdauer. Außerdem kann das Reden über die Bilder, sehr gut der Sprachförderung dienen.
Pinkelnde kleine Jungen gehören ebenso dazu wie die Katze, die sich auf dem Mast an den Starenkasten mit der Vogelfamilie heranschleicht. Und wer sich durch die Seiten von „Mein riesengroßes Wimmel-Suchbuch“ und „Mein schönstes Wimmel-Bilderbuch“ durchgeschaut hat, kann gleich wieder von vorne anfangen – denn bei so viel Gewimmel findet man immer wieder etwas Neues.
Wie alle Wimmel-Bücher von Ali Mitgutsch ist auch dieses mit vielen kleinen „Begebenheiten“ bestückt, die es immer wieder zu finden und immer wieder aufs Neue zu entdecken gibt. Ein Riesenspaß nicht nur für die Kleinen. Die Bücher kommen völlig ohne Text aus und doch habe ich mit meinen Kindern viel über das Buch geredet, neue Wörter gelernt und Geschichten nacherzählt, immer wieder neu.

Buchmalerei Berthold Furtmeyr

Berthold Furtmeyr – Meisterwerke der Buchmalerei in Regensburg

Einem der großen Söhne Regensburgs widmet das Historische Museum Ende des Jahres eine Ausstellung mit Meisterwerken der Buchmalerei. Berthold Furtmayr war einer der herausragenden Miniaturmaler des ausgehenden Mittelalters und gefragter Künstler bei Herzögen und Bischöfen. Heute befinden sich seine Illustrationen als kostbare Schätze in europäischen Museen. Vom 29. November 2010 bis zum 13. Februar 2011 zeigt das Historische Museum Miniaturen und Textillustrationen aus bedeutenden Bibliotheken und Büchersammlungen Bayerns, Baden-Württembergs und dem Kupferstichkabinett Berlin.

Regensburg bildete in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein führendes künstlerisches Zentrum, das besonders auf dem Gebiet der Buchmalerei weite Ausstrahlung besaß. Für diese Entwicklung war Berthold Furtmayr, der von 1470 bis 1501 Bürger von Regensburg war, maßgeblich mit verantwortlich. In seiner Werkstatt entstanden kostbare Miniaturen von nie gesehener Farbigkeit und außergewöhnlicher Detailtreue.

Informationen: Kulturreferat Stadt Regensburg, Haidplatz 8, 93047 Regensburg Tel. 0941/507-4477, Fax 0941/507-2004, , www.regensburg.de.

Ausstellung Buchillustration Jutta Mirtschin und Uwe Häntsch

Am 1.8.2010 um 17.00 Uhr eröffnet die Ausstellung Buchillustration und Malerei der o.g. Künstler im Kloster Ribnitz-Damgarten. Beide leben und arbeiten in Wustrow und Berlin und sind Preisträger nationaler und internationaler Auszeichnungen. Arbeiten von ihnen befinden sich ebenfalls in öffentlichen Sammlungen.

Jutta Mirtschin lebt und arbeitet in Berlin. Sie illustriert Bücher, malt Theater- und Ausstellungsplakate und ist in vielen graphischen und malerischen Sparten tätig.

Uwe Häntsch

1971 bis 1976 Studium an der Kunsthochschule Berlin, Diplom-Designer, lebt und arbeitet in Berlin.
Illustrationen, Typografie, CD- und Buchgestaltung u.a. für den Eulenspiegel Verlag. Plakatgestaltung, Grafik- und Corporate Design u.a. für die Komische Oper, Berlin; Stiftung Warentest, Berlin. Ausstellungen und Beteiligungen u.a. in Schwerin, Belgrad, Leipzig, Brno, Paris, Neubrandenburg, Tokio, Berlin, Barcelona, Nishinomiya, Bratislava, Prag, Waren, Bologna, Wittenberg und Stuttgart.
Auszeichnungen u.a. bei »Schönste Bücher«, »Beste Plakate«, »Golden Pen [Belgrad]«.

Galerie im Kloster
Kunstverein Ribnitz-Damarten e.V.
Im Kloster 9
18311 Ribnitz-Damgarten

Telefon 03821.4701
Fax 03821.889140
info@galerie-ribnitz.de

Büchergilde Gestalterpreis 2010

Büchergilde Gestalterpreis 2010

Zazie in der Metro

Begonnen hat alles im Jahr 2000. Die Grundidee des Gestalterwettbewerbs war, den Nachwuchs zu fördern und so manches Talent frühzeitig für das Programm unserer illustrierten Bücher zu entdecken. Einige der Gewinnerinnen und Gewinner sind heute bereits anerkannte und durchgesetzte Buchillustratoren geworden, die alle bei der Büchergilde ihre Karriere begonnen haben.

Somit steht die Büchergilde nach wie vor für "Avantgarde". Die Büchergilde vergibt alle zwei Jahre den Gestalterpreis an eine Fachhochschule mit Studiengang "Buchdesign" und mit dem Schwerpunkt Buchillustration. Dem Sieger winkt das Glück eines Vertrages mit der Büchergilde Gutenberg und ein Auftrag für die komplette Illustrierung eines belletristischen Werkes.

Im Vorfeld suchen wir eine passende Hochschule aus und sprechen direkt vor Ort mit dem jeweiligen Professoren und den Studenten. In diesem Gespräch stellen wir das Prinzip des Gestalterpreises vor und geben unseren Text an die Studenten weiter. Nun beginnen die Studenten ihre Arbeit. Sie müssen sich im Vorfeld stark mit dem Text auseinanderzusetzen, um allein dafür eine Bildsprache zu finden ohne das der Text in den Hintergrund tritt, sondern sowohl Bild als auch Text gleichberechtigt bestehen können. Nach ein paar Monaten können wir meistens schon die ersten Entwürfe sichten.
Gestalterpreisverleihung 2010 in Berlin

Den Gestalterpreis 2010 übernahm die HdK (Hochschule der Künste) in Berlin. Eine Gruppe von 20 Studierenden unter Anleitung von Professor Henning Wagenbreth illustrierte den Roman Zazie in der Metro von Raymond Queneau. Nach Abgabe aller Arbeiten wurde eine 5-köpfige Jury einberufen, der es diesmal nicht leicht fiel, unter den Entwürfen die ersten 3 Plätze zu benennen. Zuletzt machte Joe Villion das Rennen, deren Arbeit mit dem Gestalterpreis 2010 ausgezeichnet wurde.
(Katrin Jacobsen, Herstellungsleiterin der Büchergilde)
Gestalterpreisverleihung 2010 in Berlin

Am 8. Juli wurden die Gewinner in einer festlichen Veranstaltung in der Büchergilde-Buchhandlung am Wittenbergplatz in Berlin geehrt.
Die Erstplatzierte Joe Villion, sowie der Zweitplatzierte Marc Hennes und der Drittplatzierte Benjamin Courtault wurden Urkunden und die jeweiligen Preise übergeben.

Raymond Queneau/
Joe Villion(Illustrationen)
Zazie in der Metro
Originalausgabe

Aus dem Französischen von Eugen Helmlé
Mit 31 farbigen Illustrationen und zahlreichen Vignetten
Illustration und Buchgestaltung Joe Villion
Bedruckter Halbleinenband mit Schutzumschlag, Lesebändchen, 224 Seiten

€ 22,90 / 38,90 SFr

Mittwoch, 21. Juli 2010

Konferenz Kriegsliteratur etc.

War - Literature, Media, Emotions - Aarhus 09/10
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Prof. Dr. Søren Fauth, University of Aarhus; Kasper Green Krejberg, M.A., University of Aarhus; Dr. Jan Süselbeck, Philipps-Universität Marburg, Aarhus 02.09.2010-04.09.2010, University of Aarhus

Kriege haben schon immer starke Emotionen hervorgerufen. Mit der Wandlung ihres Charakters in der Moderne hat sich ihre Wahrnehmung jedoch verändert. Vor allem durch die Medien, die sowohl auf die zivile als auch die militärische Welt Einfluss nahmen, um eine bestimmte Vorstellung des Krieges zu vermitteln. Unbestreitbar ist, dass die Nachrichtenmedien, der Film und die Literatur dem Publikum die Kriegsschauplätze in aller Welt nach wie vor auf verschiedenste Weise zugänglich machen; ebenso evident ist es, dass dies durch den massiven Einsatz von pathos- und emotionsbetonten Wirkungsmitteln geschieht.

Die Tagung möchte der Frage nachgehen, warum Repräsentationen des Krieges zugleich anziehend und abstoßend wirken; warum der Krieg in der aktuellen Medienlandschaft - vom Internet über den Unterhaltungsfilm bis hin zur experimentellen Kunst und zur Literatur - so viel Aufmerksamkeit bekommt, und welche Bedeutung die emotionalen Effekte der Kriegsvermittlung für individuelle und kulturelle Auffassungen des Krieges ­- und damit nicht zuletzt auch für künftige politische Entscheidungen über Krieg und Frieden ­- haben.

Die Aarhuser Tagung bezieht sich auf jenes interdisziplinäre Forschungsfeld zwischen Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft, das spätestens seit dem Beginn des sogenannten 'Kriegs gegen den Terror'
nach dem 11. September 2001 im Zentrum wissenschaftlicher Debatten steht. Die exzessive internationale Beachtung unseres Tagungsthemas hängt mit der derzeitigen Allgegenwärtigkeit von Kriegsbildern und -erzählungen zusammen, wobei zu beachten bleibt, dass die faktischen Kriegsereignisse meist nach wie vor weit entfernt von den kulturellen Zentren des Westens stattfinden, in denen man nach wie vor relativ gelassen "das Leiden anderer betrachten" kann, um einmal Susan Sontag zu zitieren. Gerade in einer solchen Zeit, in der die medialen Repräsentationen des Krieges - mehr noch als konkrete Kriegserfahrungen oder ­-drohungen ­- unsere Einstellung zum Krieg weiter maßgeblich bestimmen, erscheint eine eingehende Untersuchung dieser folgenreichen Darstellungsweisen um so wichtiger.

Sämtliche Vorträge sind öffentlich. Anmeldung ist nicht erforderlich.

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Thursday

17.00 Registration
18.00 Welcome to the conference

18.15 Opening address / Eröffnungsvortrag

Prof. Dr. Hermann Kappelhoff (Berlin): "Sense of Community": Die Filmische Komposition eines moralischen Gefühls

19.30 Dinner (at the university)

Friday

Session 1: The intermingling of visual and textual war representations / Mischformen visueller und textueller Kriegsdarstellungen

09.15 Prof. Dr. Jürgen Brokoff (Yale/Bonn): "Nichts als Schmerz" oder
mediale "Leidenspose"? Visuelle und textuelle Darstellung von Kriegsopfern im Bosnienkrieg (Handke, Suljagic, Drakulic).

10.00 Kasper Green Krejberg, M.A. (Aarhus): The Anxiety of Emotional
Identification. W.G. Sebald, Michael Haneke and the Aesthetics of Indirection in Contemporary War Stories

11.00 Anders Engberg-Pedersen, M.A. (Harvard): Tact: Warfare and The
Art of Judgment

12.00 Lunch

Session 2: Emotional and aesthetic aspects of war coverage in the media / Emotionale und ästhetische Aspekte der Kriegsberichterstattung in den Medien

13.30 PD. Dr. Thomas F. Schneider (Osnabrück): Ikonenbildung mittels
Emotionalisierung. Bilder des Todes in der Kriegsberichterstattung in Fotografie, TV und dem Internet

14.15 Dr. Mikkel Bruun Zangenberg (Odense): The Military Blog as Truth
Witness?

--- 15 min break ---

Session 3: The ambivalence of emotions: War cinema-antiwar cinema / Ambivalenz der Affekte: Kriegsfilme-Antikriegsfilme

15.15 PD Dr. Manuel Köppen (Berlin): Ästhetik der Gewalt in neueren
Kriegsfilmen

16.00 Dr. Lars Koch (Siegen): Angst im Nicht-Krieg - Der "Schläfer"
als "Sittenmonster"

16.45 Gerhard Lüdeker, M.A. (Bremen): Wüstenkrieger, Häuserkämpfer und
Rockstars: Figurenkonstruktionen und Emotionalität in Hollywood-Kriegsfilmen nach 09/11

--- 15 min. break ---

17.45 Prof. Dr. Linda Maria Koldau (Aarhus): Submarine Films as
Aesthetic Reflection of War History and War Strategy

18.30 Prof. Dr. Klaus Theweleit (Karlsruhe / Freiburg): "Totaler
Krieg" bzw. "Krieg total" in James Camerons "Avatar" und Jean-Luc Godards "Notre Musique"

19.15 Drinks

19.30 Conference Dinner

Saturday

Session 4: Emotional strategies and effects in war literature / Emotionalisierungsstrategien und -effekte in der Kriegsliteratur

9.15 Prof. Dr. Debra Kelly (Westminster): Ways of Living, Ways of
Dying: Lived Experience Past and Reading Experience Present in Life-Writing Narratives of the French Occupation

10.00 Dr. Jan Süselbeck (Marburg): "Ich komme nur ganz kurz hierher."
Zur Affektwirkung 'filmischer' Schnitt- und Überwältigungsästhetik in Christian Krachts Kriegsroman "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" (2008)

--- 15 min break ---

Session 5: War literature between satire and slapstick / Kriegsliteratur zwischen Satire und Slapstick

11.00 Dr. Bernd Blaschke (Berlin): Emotionsmodellierungen in
theatralischen Kriegssatiren. Analysen zu Elfriede Jelineks Bambiland/Babel

11.45 Dr. Andrea Schütte (Bonn): Krieg und Slapstick. Kontrolle und
Kontrollverlust in Sasa Stanisic´s Darstellung des Bosnienkrieges

12.30 Lunch

Session 6: Affirmative heroisation in war literature / Affirmierender Heroisierung in der Kriegsliteratur

13.15 Dr. Christoph Jürgensen (Göttingen): Dichtung als Kriegsdienst -
Strategien der Mobilisierung in der Lyrik der Befreiungskriege

14.00 Dr. Marleen van Marwyck (Pune): "Nicht schrecklich bist du in
der Nähe anzuschaun, / Es zieht das Herz mich zu der lieblichen Gestalt". Emotionstheoretische Aspekte der Anmut als Gewaltästhetik um 1800

--- 15 min break ---

Session 7: Sympathy for the Devil - about hate and empathy in war literature / Sympathie für den Teufel - über Hass und Empathie in der Kriegsliteratur

15.00 Prof. Dr. Thomas Anz (Marburg): Freunde und Feinde.
Kulturtechniken der Sympathielenkung und ihre emotionalen Effekte in literarischen Kriegsdarstellungen

15:45 Prof. Dr. Svend Erik Larsen (Aarhus): After the battle: Cleaning
up inside and outside

16.30 Final discussion / Closing remarks

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Prof. Dr. Søren Fauth, University of Aarhus: tyssf@hum.au.dk. Tlf. +45
8942 6343
Kasper Green Krejberg, M.A., University of Aarhus: kaspergk@hum.au.dk.
Tlf. +45 8942 5238
Dr. Jan Süselbeck, Philipps-Universität Marburg:
jan.sueselbeck@staff.uni-marburg.de. Tlf. +49 6421 28 24937

(Website zur Tagung, mit Ankündigungstexten auf Deutsch, Englisch und Dänisch sowie weiteren Informationen zur Konferenz.)

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Freitag, 16. Juli 2010

Internet-Portal zu Heinrich von Kleist

Anlässlich des 200. Todestages von Heinrich von Kleist im kommenden Jahr geht am Montag dem 19. Juli 2010 ein Internet-Portal über den Dichter online. Es wird aus dem Etat von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) mit insgesamt 145 000 Euro finanziert und soll das "Kleist-Jahr 2011" einleiten.

Neumann erklärte am Freitag, die Website solle Kleists Werk "in einem anspruchsvollen, unterhaltsamen und gerade auch an den Lesernachwuchs gerichteten neuen Internet-Portal" einem großen Publikum zugänglich machen. Außerdem können Interessierte dort die wichtigsten Theater- und Ausstellungsprojekte im Kleist-Jahr in einem Online-Kalender einsehen. Das Internet-Portal wurde vom Kleist-Museum in Frankfurt an der Oder und der Kleist-Gesellschaft Berlin entwickelt.

Der Dichter, Dramatiker und Novellist Heinrich von Kleist wurde 1777 in Frankfurt an der Oder geboren. Am 21. November 2011 jährt sich sein Todestag zum 200. Mal.

Dienstag, 13. Juli 2010

Friedrich der Große als Leser

Günther Lottes, Brunhilde Wehinger (Hrsg.)
Friedrich der Große als Leser
2010. Berlin: Akademie-Verlag. ca. 200 S., gb.
ca. € 49,80
ISBN 978-3-05-004922-9


Friedrich der Große erweist sich in seinem umfangreichen schriftstellerischen Werk sowie in seinen literarisch-philosophischen Briefwechseln, vor allem mit Voltaire, als ein unermüdlicher und höchst eigenwilliger Leser der einschlägigen, französischsprachigen Debattenbeiträge der westeuropäischen Aufklärung. Zugleich betrachtet er die klassische Literatur des Jahrhunderts Ludwigs XIV. als vorbildlich, befasst sich zeitlebens mit den im 18. Jahrhundert in französischer Sprache zugänglichen antiken Autoren philosophischer, historiographischer, poetischer Werke und eignet sich die einschlägigen zeitgenössischen Geschichtswerke im Zeichen der Aufklärung an. Seine Werke zeigen: Er ist ein für das Jahrhundert der Aufklärung geradezu typischer Autor, der seine Werke in Auseinandersetzung mit anderen und als Antwort auf offene Fragen seiner Zeit konzipiert. Kritik und Kommunikation sind die zentralen Schlüsselbegriffe auch dieses Autors, der seine Rolle als selbstbewusster Leser nicht verbirgt, wie seine Schriften mit den zahlreichen intertextuellen Referenzen deutlich machen.

Die Beiträge des Bandes beleuchten aus verschiedenen disziplinären Perspektiven die Quellen-, Referenz- und Lieblingstexte des roi philosophe und rekonstruieren seine Lektürehorizonte, die für seinen Standpunkt als Schriftsteller prägend sind. Erörtert werden seine historiographischen, philosophisch-kulturkritischen, militärischen Schriften ebenso wie seine Dichtungen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Bedeutung, die dem Kanon der europäischen Literaturen in Friedrichs „Lesewelten“ zukommt, die in den Gesamtzusammenhang der zeitgenössischen Aufklärungsdebatten gestellt werden. Dabei wird nachvollziehbar, warum Friedrich sich als ein europäischer Autor französischer Sprache verstand, der ein internationales, an der lebhaften Debattenkultur der Aufklärung interessiertes Publikum vor Augen hatte.

Erschließen und Speichern von Wissen

Frank Grunert, Anette Syndikus (Hrsg.)
Erschließen und Speichern von Wissen in der Frühen Neuzeit
Formen und Funktionen
Berlin: Akademie-Verlag 2010. ca. 400 S., 7 schwarz-weiße Abbildungen, gb.
ca. € 59,80
ISBN 978-3-05-004329-6


Mit der Verbreitung des Buchdrucks hat sich die Quantität des verfügbaren Wissens radikal verändert, woraus sich neue Fragen nach der Funktion des Wissens, seiner Ordnung und den Möglichkeiten seiner Bewahrung und Tradierung ergeben. Die überlieferten Wissensspeicher werden allmählich den veränderten Ansprüchen angepasst, und seit dem 17. Jahrhundert entstehen daneben neue Formen der Wissenserschließung und -vermittlung, mit denen auf die Anforderungen der Universitäten, Bibliotheken und Verwaltungen, aber auch auf die Interessen eines nicht-akademischen Lesepublikums reagiert wird. Die vielfältigen Möglichkeiten der frühneuzeitlichen Wissensaufbereitung und der daraus hervorgehenden Speicherformen (zwischen 1500 und 1800) werden in eine vergleichende Perspektive gerückt: Die jeweiligen Formen werden zunächst nach einheitlichen Gesichtspunkten vorgestellt, um dann nach Überschneidungen und Abgrenzungen, nach Konstanten und Transformationen fragen zu können.

Der Band enthält Beiträge über: Speichermetaphern, Naturkundliche Enzyklopädien, Genealogien, Florilegien, Tabellenwerke, Theatra, Bibliothecae, Juristische Lexika, Bibliographien, Dissertationen, Gelehrte Korrespondenzen, Buntschriftstellerei, Historia literaria, Literarische Werke, Staatskalender, Moralische Wochenschriften, Kommentarliteratur und Reiseberichte.

Literatur in Osteuropa

Literatur in Osteuropa

Erscheinungsjahr: 2010 Akademie-Verlag Berlin
Seiten: 256
Preis: 19,95 Euro
ISBN 978-3-05-004537-5

Literatur ist immer auch beeinflusst vom gesellschaftspolitischen Umfeld, in dem sie entsteht. Umso spannender daher der exemplarische Blick: Wie entwickelte sich die Literatur in Russland und Polen seit Aufklärung und Romantik? Wie im Stalinismus und in postsowjetischer Zeit? Das Studienbuch gibt in Schlaglichtern eine profunde Einführung in die Literatur Osteuropas: von Tolstoi bis Bulgakow, von Mieckiewicz bis Stefan Chwin.

1. Wo liegt Osteuropa? Mental mapping, Osteuropageschichte und Slawistik
2. Literaturen exemplarisch: russische und polnische Literatur im Kontext nationaler, ost- und gesamteuropäischer (Beziehungs-)Geschichte
3. Literatur und nationale Identitätsbildung: Staat und Zensur, Subversion und Emanzipation
4. Aufklärung von oben, Romantik und Realismus, Moderne zwischen ästhetischem Aufbruch und sozialistischem Realismus, Postmoderne und die neue Lust am Fabulieren
5. Orientalismus, Stadt und Land, Genderdiskurs

Montag, 5. Juli 2010

Neues Zentrum für Kunstliteratur

Neues Zentrum der Kunstliteratur
Kunstbibliothek und Städelbibliothek gehen Kooperation ein
05. Juli 2010

FRANKFURT. Seit Beginn des Sommersemesters kooperieren die Kunstbibliothek der Goethe-Universität und die Bibliothek des Städel Museums. In Form zahlreicher Kunst-Bände des späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ist seit kurzem ein bedeutender Teil der Bestände der Städelbibliothek in den Räumen der Kunstbibliothek untergebracht, die seit Oktober 2009 auf den Campus Bockenheim angesiedelt ist. Hier entsteht somit ein neues bedeutendes Zentrum der Literaturversorgung im Bereich Kunst und Architektur vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

Die Städelbibliothek geht auf die private Bibliothek des Stifters des Städel Museums, Johann Friedrich Städel (1728 bis 1816) zurück. Seit der Einrichtung des Museums im Jahre 1817 ist sie kontinuierlich als wissenschaftliche Bibliothek sowie als Arbeitsinstrumentarium für das Museum und seine besonderen Sammlungsschwerpunkte ausgebaut worden. So finden sich im Bestand nicht nur etwa 100.000 Bücher, sondern auch zahlreiche Zeitschriften, ferner Auktionskataloge zahlreicher nationaler und internationaler Versteigerungshäuser, die zum Teil bis ins späte 18. Jahrhundert zurückreichen. Angesichts des enormen Anstiegs der Publikationszahlen kunstwissenschaftlicher Fachliteratur in den letzten Jahrzehnten ist die Städelbibliothek – wie auch viele andere Einrichtungen vergleichbarer Größe – an eine räumliche Grenze gestoßen, die es erschwert die Bestände dauerhaft in umfassender Form aktuell zu halten und fortzuführen.

Gleichzeitig hat sich in Frankfurt aber in den letzten Jahren – dank der Initiative von Prof. Klaus Herding – mit der Kunstbibliothek der Goethe-Universität eine weitere kunstwissenschaftliche Fachbibliothek etabliert, die einen Schwerpunkt gerade auf den neueren beziehungsweise aktuell erschienenen Buchpublikationen hat. Sie zählt derzeit über 70.000 Bände sowie zahlreiche laufend gehaltene Zeitschriften und ist in den letzten Monaten durch mehrere bedeutende Zustiftungen in den Bereichen Filmgeschichte, Kunstgeschichte Roms und zeitgenössische Kunst vergrößert worden. Dank der Förderung durch die Dr. Marschner-Stiftung können diese Neuzugänge zügig eingearbeitet werden.

Beide Bibliotheken verbinden nun einen ihrer Schwerpunkte, um eine neue, weit über die Stadtgrenzen Frankfurts hinaus ausstrahlende Fachbibliothek für Kunstwissenschaftliche Literatur zu schaffen. Dabei ist es vor allem Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zur nationalen Kunstgeschichte der europäischen Länder, die den Kern der Städelbibliothek auf dem Campus Bockenheim bildet. 30.000 Bände zu diesem Themenkomplex sind seit einigen Monaten als in sich geschlossener Bestand in der Kunstbibliothek aufgestellt und dort benutzbar. Mit der Auslagerung dieser Teilbestände konnte die Städelbibliothek eine zukunftsfähige Lösung zur Weiterentwicklung ihrer Bestände etablieren und gleichzeitig einen maßgeblichen Beitrag zur Schaffung eines neuen Zentrums der Literaturversorgung im Bereich Kunst und Architektur leisten. Der besondere Charakter und die Kernkompetenz beider Bibliotheken bleiben dabei ebenso gewahrt wie die Besitzverhältnisse – die Städel-Bibliothek bleibt mit all ihren Beständen Eigentum des Städel Museums und die Kunstbibliothek Teil der Goethe-Universität. Ebenso bleiben die beiden Hauptstandorte der Bibliotheken – im Städel Museum und im Kunstgeschichtlichen Institut auf dem Campus Bockenheim – in ihrer Autonomie erhalten; die Kernbestände der derzeit aufgrund von Baumaßnahmen geschlossenen Bibliothek im Städel werden nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wieder öffentlich zugänglich sein.

Ein gemeinsames Katalogportal, unter dem die Bestände an beiden Standorten auch digital über das Internet abgefragt werden können, ist in Vorbereitung und wird die Frankfurter kunstwissenschaftliche Fachbibliothek in Kürze auch international komplett zugänglich machen. Bislang galt das nur für die Kunstbibliothek. Der hierfür vorgesehene Termin ist die Wiedereröffnung des Städel Museums nach Fertigstellung des Erweiterungsbaus für die Präsentation der Kunst nach 1945 im Herbst 2011. Absprachen in der Ankaufspolitik sollen darüber hinaus gezielte Schwerpunktsetzungen ermöglichen und sorgen zugleich für den effizienten Einsatz von Ankaufsmitteln.

Informationen: Prof. Christian Freigang, Kunstgeschichtliches Institut, Campus Bockenheim, Tel: (069) 798-22276, freigang@kunst.uni-frankfurt.de
Dorothea Apovnik und Axel Braun, Städel Museum, Pressebüro, Tel: (069) 605098-234, presse@staedelmuseum.de

presse@uni-frankfurt.de

Sonntag, 4. Juli 2010

Fotobücher im 20. Jahrhundert

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Fotobücher im 20. Jahrhundert
hg. von Anton Holzer und Ulrich Keller

Seit einigen Jahren erzielen historische Fotobücher am Kunstmarkt immer höhere Preise. Parallel dazu setzte auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema ein. Die Beiträge dieses Themenheftes untersuchen an ausgewählten Beispielen die gesellschaftspolitische Dimension des Fotobuchs, seine zeitgenössische publizistische Wirkung, seine Rezeption, aber auch seine komplexen Text-Bildbezüge.

Die kommerzielle Aufwertung von Fotobüchern und ihre Verwandlung in Kunstwerke haben dazu geführt, dass sich bisher ein Gutteil der Publizistik zum Thema Fotobücher der Logik des Kunstmarktes und der geschäftlichen Verwertung angeschlossen hat. Auffallend ist, dass enzyklopädische Annäherungen dominieren. Es werden Listen und Ranglisten erstellt, angebliche Highlights herausgefiltert und diese mit anderen Highlights verglichen. Auf diese Weise wird die Geschichte des Fotobuchs als Wettkampf um möglichst innovative, originelle Gestaltung inszeniert.

Das vorliegende Themenheft schlägt einen anderen Weg als den der meisten bisherigen Publikationen ein. Die Auswahl der untersuchten Fotobücher ist relativ schmal. Sie beansprucht nicht, die Geschichte des Fotobuchs in seiner Gesamtheit dazuzustellen. Im Mittelpunkt der Analysen stehen einzelne Fotobücher oder Gruppen von Fotobüchern, die umfassender analysiert werden und vor allem auf ihre gesellschaftspolitischen Bedeutung hin gelesen werden. Einige der untersuchten Bücher hatten zu ihrer Zeit eine enorme Wirkung, manche auch sehr hohe Auflagen. Andere haben, obwohl sie zu ihrer Zeit wenig beachtet wurden, Vorbildwirkung für spätere Publikationen erlangt. Wieder andere Fotobücher wurden schlicht vergessen uns sind erst durch jüngste Forschungen wieder "ausgegraben" worden. Der zeitliche Schwerpunkt der Texte liegt im 20.
Jahrhundert, gelegentlich aber wird der Blickwinkel in Richtung 19.
Jahrhundert erweitert.

INHALTSVERZEICHNIS

Beiträge:

Ulrich Keller: Die posttraumatische Kamera. Amerikanische Kriegsfotobücher von Gettysburg bis Vietnam, S. 7-22

Sandra Oster: Das Gesicht des Krieges. Der Erste Weltkrieg im Foto-Text-Buch der Weimarer Republik, S. 23-32

Eric Lutz: Auf der Suche nach Amerika. Ein Fotobuch-Projekt von Rudolf Schindler, S. 33-44

Franziska Schmidt "Das deutsche Volksgesicht". Die Fotobücher von Erna Lendvai-Dircksen zwischen 1931 und 1944, S. 45-58

Hanna Koch: "Sprechende Bücher". Paul Wolff, Walker Evans: Fotobildbände der 1930er Jahre, S. 59-68

Hans Dickel: Fotografie im Künstlerbuch. Beobachtungen zur Intermedialität seit 1960, S. 69-76

Forschung:

Jan Mlcoch: Schlosser & Wenisch. Ein Prager Fotoatelier

Oskar Verant: Die Bewegungsdarstellung in der Fotografie des 19.
Jahrhunderts - von der wissenschaftlichen Analyse zum künstlerischen Ausdruck

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Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie.
Marburg: Jonas Verlag für Kunst und Literatur

Fotogeschichte
Herbststraße 62/18
A-1160 Wien
Tel. +43-1-218 64 09
Fax: +43-1-4096090
fotogeschichte@aon.at

Einzelbestellungen/Abonnement:

Jonas Verlag
Weidenhäuser Str. 88
D-35037 Marburg
Tel. ++49(0)6421/25132
Fax: ++49(0)6421/210527

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Weitere Informationen zu dieser Zeitschrift


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Freitag, 2. Juli 2010

Französische Almanachkultur im deutschen Sprachraum

Veranstalter: Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink, Universität des Saarlandes/Prof. Dr. York-Gothart Mix, Philipps-Universität Marburg, DFG-Projekt "Französische Almanachkultur im deutschen Sprachraum (1700-1815)" Marburg
Datum, Ort: 27.09.2010-29.09.2010, Philipps-Universität Marburg

Interdisziplinäre Tagung "Französische Almanachkultur im deutschen Sprachraum (1700-1815). Gattungsstrukturen, komparatistische Aspekte, Diskursformen" (27.09.-29.09.2010 an der Philipps-Universität Marburg)

Die gemeinsam von Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink, Universität des Saarlandes, und Prof. Dr. York-Gothart Mix, Philipps-Universität Marburg, veranstaltete Tagung "Französische Almanachkultur im deutschen Sprachraum (1700-1815). Gattungsstrukturen, komparatistische Aspekte, Diskursformen" soll sich dem bisher unerschlossenen und weitgehend unbekannten Textkorpus französischsprachiger Almanache widmen, die in der Zeit der Aufklärung, Französischen Revolution und Napoleonischen Ära im deutschen Sprachraum erschienen. Obwohl auch in der neueren Forschung auf die Bedeutung der französischsprachigen Zeitungen, Zeitschriften und Almanache im Alten Reich hingewiesen wurde, blieb die Erforschung des von den Zeitgenossen als Manie d’almanacs ironisierten Phänomens bis heute ein Desiderat. Gerhard Rudolphs Einschätzung, die „Fülle der Almanach- und Taschenbuchliteratur“ sei „bisher noch nicht einmal in ihrer ganzen Variationsbreite bekannt“ ist immer noch zutreffend. Bei dem Korpus handelt es sich keineswegs nur um Übernahmen einzelner Werke oder modische anthologische Kompilationen aus dem Französischen, sondern auch um Übersetzungen aus dem Deutschen, wie der von Georg Christoph Lichtenberg in der für die Zeit außerordentlich hohen Auflage von 8000 Exemplaren publizierte Almanac de Goettingue dokumentiert. Außerdem finden sich zahlreiche Originalwerke, dennoch hat sich die nationalphilologisch orientierte empirische Rezeptionsforschung dieses Themas nicht angenommen. Auch in den Untersuchungen zur Übersetzungspraxis der Zeit wird auf die frankophone Almanachliteratur nicht eingegangen. Selbst in Ruth Floracks wegweisender, umfassender Quellensammlung Tiefsinnige Deutsche, frivole Franzosen spielt das Textkorpus keine Rolle.

Ziel der Tagung ist es, die französischsprachige Almanachkultur im deutschen Sprachraum thematisch, gattungstypologisch und bibliographisch zu analysieren, ihre inter- und intrakulturelle Verankerung anhand der Übersetzungspraxis und des Wissenstransfers komparatistisch zu untersuchen, die unter nationalphilologischen wie geschichtsteleologischen Prämissen konturierten Leitbegriffe wie Publikum, Öffentlichkeit, Bildungsnation, Adel oder Bürgertum auf der Grundlage neuer Quellenstudien zu problematisieren und die zeittypischen Formen literarischer Distinktion zu präzisieren. Lesen und Schreiben sollen nicht nur als „eine abstrakte Operation der intellektuellen Erkenntnis" (Roger Chartier) begriffen werden, sondern als Korrelat einer zeittypischen Kulturökonomie symbolischer Formen und Habitualisierungen. In diesem Kontext gilt es, bisher wenig beachtete Leserschichten und Kommunikationsformen zu konkretisieren und den Charakter der von der traditionellen Sozialgeschichte zu Quasi-Personen erhobenen Entitäten Publikum und Öffentlichkeit neu zu konturieren.

Die interdisziplinär angelegte Tagung verfolgt somit das Ziel, anhand eines repräsentativen und umfangreichen Textkorpus – aller nachweisbarer, zwischen 1700 und 1815 im deutschen Kulturraum gedruckten französischsprachigen Almanache – die Rolle der frankophonen Schrift- und Buchkultur in den deutschen und österreichischen Territorien sowie der Deutschschweiz zu konkretisieren. Diese Gebiete zeichneten sich im 18. Jahrhundert nicht nur durch eine intensive Übersetzungstätigkeit, vor allem vom Französischen ins Deutsche, sondern auch durch eine bisher nur in Teilbereichen aufgearbeitete Präsenz des Französischen unter den sozialen Eliten aus. Wie neuere Forschungen von Pierre-Yves Beaurepaire, Marc Fumaroli, Edgar Mass, Annett Volmer oder Jürgen Voss belegen, ist die Präsenz des Französischen in den deutschen Staaten als Kommunikations- und Schriftsprache in den größeren Kontext der kulturellen Hegemonie Frankreichs im Europa der Zeit 1700-1815 einzuordnen. Diese Dominanz offenbarte sich in vielen Bereichen: neben der Literatur und Publizistik auch in der Wissenschaft, Kunst, Architektur, Mode, Wohnkultur oder in der Tanzkunst sowie – vor allem während der revolutionären und Napoleonischen Epoche – in der Administration und Organisation des Militärwesens.

Im Zentrum der Tagung stehen folgende Fragestellungen und Ziele:
- erstens anhand eines repräsentativen und umfangreichen Textkorpus die Rolle der frankophonen Schrift- und Buchkultur in den deutschen und österreichischen Territorien des Zeitraums 1700-1815 zu untersuchen;
- zweitens Gattungsstrukturen innerhalb des untersuchten Korpus aller frankophonen Almanache zu konkretisieren und zu typologisieren;
- drittens die Rolle und soziokulturellen Profile von Mittlerfiguren wie den Verlegern, Journalisten und Übersetzern und Redakteuren der frankophonen Almanache systematisch zu beschreiben und im Rahmen exemplarischer Fallstudien zu vertiefen;
- viertens Themenschwerpunkte und Diskursformen der im deutschen Sprachraum verlegten frankophonen Almanache, auch kontrastiv im Vergleich zu den französischen Vorbildern, zu analysieren sowie
- fünftens anhand interkultureller Transfer- und Rezeptionsprozesse zu exemplifizieren, welches Text- und Bildmaterial in welcher Form von den französischen Vorbildern übernommen und in welcher Weise es im Hinblick auf den Rezeptionskontext des deutschen Sprach- und Kulturraums übersetzt, adaptiert oder verändert wurde.

Eine quellenorientierte, theoretisch reflektierte Analyse der französischsprachigen Almanachkultur im Alten Reich trägt entscheidend dazu bei, die Vorstellung von einer deutschen Aufklärung auf den Boden der Tatsachen zu holen, die Realität der interkulturellen Korrelationen der europäischen Literaturen wieder ins Bewusstsein zu heben und aufzuzeigen, dass die beschriebenen Phänomene alles andere als Randphänomene sind. Der Blick auf den interkulturellen Kontext der frankophonen Almanachliteratur im deutschen Sprachraum ermöglicht es, lokale oder regionale mit transnationalen Untersuchungsperspektiven komparatistisch zu verknüpfen und die Kommunikation zwischen den Kulturen und Sprachen am Beispiel eines europäischen Leitmediums zur Zeit der Aufklärung, Klassik und Romantik zu konkretisieren.
Kontakt:

Prof. Dr. York-Gothart Mix
Wilhelm-Röpke-Straße 6a
35032 Marburg
+49 (0)6421 28-24656 [Sekretariat]
+49 (0)6421 28-28973
mix@staff.uni-marburg.de
URL: http://www.uni-saarland.de/de/campus/fakultaeten/professuren/philosophische-fakultaet-ii/romanistik/professuren-fr-42-romanistik/prof-dr-hans-juergen-luesebrink/dfg.html
URL zur Zitation dieses Beitrages http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=14267

Buchstabengeschichte(n)

Buchstabengeschichte(n)
Autor: Max Bollwage
Einzelpreis: € 24,90
Erscheinungstermin: 2010 Akademische Druck- und Verlagsanstalt ISBN: 978-3-201-01914-9

Wie das Alphabet entstand und warum unsere Buchstaben so aussehen

Buchstaben begleiten uns von der Geburt an. Zunächst für uns unsichtbar in Akten und Formularen, dann sichtbar spätestens vom ersten Schultag bis ans Ende unseres Lebens und darüber hinaus. Noch auf unserem Grabstein behaupten Buchstaben, dass es uns gegeben habe. Aber was wissen wir von diesen treuen Begleitern? Warum schreiben wir so? Warum schreiben Westeuropäer und Amerikaner anders als Russen und Griechen oder Juden und Araber?

Dabei haben die unterschiedlichen Alphabete dieser Völker doch denselben Ursprung: die ägyptischen Hieroglyphen! Doch nicht allein um die gemeinsamen Wurzeln unserer Alphabete geht es in diesem Buch, sondern vor allem um die Schicksale der verschiedenen Schriftstile, die uns noch oder wieder in der Gegenwart begegnen. Warum gibt es eckige und runde, schräge und aufrechte, elegante und plumpe oder einfache und komplizierte Buchstaben? Wer mit Texten umgeht, sollte darauf antworten können.

Alle abendländischen Alphabete sind miteinander verwandt, selbst die skurrilsten und verrücktesten Buchstaben. Sonst könnten sie nämlich nicht gelesen werden. Der Computer liefert uns Alphabete in allen Formen und Schriftstärken nach Wunsch. Aber spätestens dann, wenn man erklären soll, warum man diese oder jene Schrift gewählt hat, ist es gut, mit mehr als nur mit Gefühl argumentieren zu können. Für alle, die sich für die Entwicklung der Buchstaben und der einzelnen Schriften interessieren, die schreiben können und müssen oder über die Anwendung einer Schrift zu entscheiden haben, wenn nicht gar selbst eine Schrift entwerfen wollen, ist dieses Buch geschrieben. Und zwar so, dass das Interesse auch eines fachfernen Lesers bis zur letzten Seite anhält.


Der Autor:
Max Bollwage studierte Schrift- und Buchgrafik und befasste sich schon während des Studiums mangels eines entsprechenden Studienfachs von sich aus mit der Geschichte der Schrift. Als Lehrbeauftragter an verschiedenen Fachhochschulen und Hochschulen und bei Gastvorlesungen entwickelte er für seinen Unterricht Anschauungsmaterial, um sichtbar zu machen, wovon er sprach. So publizierte er unter anderem zwei Poster zur Entstehung und Entwicklung des Alphabets und ein Lehrbuch für Typografie. Eine neue praxisgerechte Klassifikation der Druckschriften veröffentlichte er im Gutenberg- Jahrbuch 2000. Darüber hinaus erschienen in Fachzeitschriften mehrere Berichte über Einzelforschungen. Max Bollwage ist als Grafikdesigner Generalist. Sein Spektrum reicht vom Messestand bis zur Briefmarke. Für seine Arbeiten erhielt er Auszeichnungen im In-und Ausland.